Fragmente. Danke, liebe Ute. Worte sind auch Lebensmittel.

28.08.2016
Ich muß nichts tun. Nur warten. Du kommst zurück. Niemals kannst Du mit jemand anderem diese Intensität erleben. Ich liebe Dich. Gott, bitte schenke mir meinen Mann zurück. Bitte lass’ ihn zu mir zurück finden. Draußen gurrt ein Turteltäubchen – Du hasst ihr Gurren.

19.01.2018
Wie gut, dass ich mich so geirrt habe. Nie bist Du überhaupt jeh mein Mann geworden. Wir waren zwei Traumatisierte, die sich aneinander geklammert haben. Was ist die Beziehung von bürgerlich Behämmerten sonst? Ich sehnte bei vorangegangenem Eintrag Möglichkeiten zurück, die nie in Deiner Absicht lagen.

Solange habe ich mitgewirkt daran, dass die schwerste Arbeit, die ich geleistet habe, pathologisiert wurde – ja, ich pathologisiert, dämonisiert. Zuletzt hast Du Dich gründlich gerächt an mir. Du hast zugebissen, wie ich als Kind meinen Stoffteddy biss, was mich selbst verstörte. Du liebst die Frauen nicht und auch nicht die Männer. Du hasst sie. Darin gleichen wir uns – wir fürchten das Leben und hassen vorsorglich, was wir so lieben.
Jetzt hast Du wieder einen Hund an Deiner Leine. Du wirst noch an der Leine zerren und den Hund treten. Zuletzt ist diese Wut ja nichts anderes als Wut auf Dich.

Und mein Traum von Bonnie and Clyde? Wie konnte ich Dir die Waffe in die Hand legen und hoffen, dass Du nicht damit auf mich zielen würdest? Es war nur kein Spiel mehr. Es war bitterer Ernst. Dass Du gegangen bist, zeigt immerhin, dass Du die Grenze kennst und achtest. Danke.

Es gibt Menschen, die meinen, ich sei unpraktisch und unkonkret. Sie selbst sind die größten Träumer, drum kümmert mich ihr Urteil nicht. Ich habe beschlossen, mich damit zu begnügen, nur noch auf Sicht zu leben. Nichts zu forcieren, aber auch nichts unversucht zu lassen. Zu mehr reichen meine Mittel auch nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es nicht genau so wollte. Mit etwas mehr Strategie hätte ich vielleicht in meinem Leben mehr erreicht und abgesichert. Aber meine kindliche oder kindische, selbstzerstörerische, unaufrichtige Aufrichtigkeitsfanatik, die vor allen Dingen Bequemlichkeit und Sturheit war, haben mich genau hierhin geführt.
Vor mir liegen die größtmöglichen Hindernisse. Mit jugendlichem Heldenmut und Elan habe ich sie aus dem Weg zu räumen und wenn ich Möglichkeiten in kleinen Stücken herauspickeln muß. Vielleicht – wenn ich freier ins Gelände schaue, kann ich sie auch einfach umgehen – das hängt von meiner Geschicklichkeit und meinem Witz ab.

In meinem Leben ist jeder Moment Material, wie es das in jedem anderen auch ist. Die Erzählung von heute lautet „graue Tage in Berlin“. Für Freundschaft fehlt es in unserem Leben häufig genug und deutlich an Humor. Aber ja, tatsächlich, es geht mir gut und meine Freunde wissen, dass ich sie liebe.

Danke, liebe Ute. Worte sind auch Lebensmittel.
Das ist das Schönste – Wirksamkeit. Nach und nach schält sich etwas heraus. Panzer ablegen macht wirksam. Fünf Jahrzehnte habe ich vorsprachlich gelebt, obwohl ich reich an Worten war, wenn es nötig war. Ich war die schärfste Zensorin meiner Gedanken und Worte, denn mit der Undeutlichkeit konnte ich die Illusionen am besten malen und nähren. Ich bog uns die Regenbogen als Eiapopeia-Manna. Das genügte als Beschwörungsvorrat gegen den Einbruch der Ängste. Das war meine Macht. Diese Vorräte an Zauberpraktiken als Narkotikum gegen den Einbruch unvorhergesehener Risiken stabilisieren den Blindflug der Tagträume deren Gestaltung uns Weibern als Grille erlaubt ist und in die wir als Ausflüchte aus ihrem grauen Alltag zur erlaubten Regression die männlichen Lebensabschnittsbegleiter mitnehmen dürfen, die uns deswegen aber gleichzeitig nicht für weniger geisteskranke Primitive halten. Das macht einen erheblichen Teil des Geschlechterfaszinosums aus, aber auch der Wut. Sobald die Routine und die Harmlosigkeit dieses Spiels und der Teilnehmer nicht mehr garantiert ist, gerät das ganze Spiel in Gefahr. Und es ist tatsächlich risikoloser, die Spielbeteiligten auszutauschen, bevor jemand ernsthaft verletzt wird. Allerdings ist seine Verklärung als Naturhaftigkeit, wie es vielleicht in seiner fatalen Zwangsläufigkeit erlebt werden mag, eine Verkennung der wahren Hintergründe und der Tragik, die darin liegt, dass wir aus Unfreiheit und nicht aus den Möglichkeiten genau so handeln, wie wir handeln.

17.01.2018 | Mich selbst nicht mehr verlassen

Einst hielt ich für wahr,
wir seien ein wunderbares, unübertroffenes Paar.
Heute hast Du Deine Gunst erneut, aber an ein anderes krummes Holz verschenkt.
Mein Herz hingegen ist in seinem Stolz gekränkt.
Ich habe zwar jetzt verstanden, dass – wo ich eine glänzende Brücke erblickte,
ein dunkler Abgrund die Wirklichkeit bildete,
doch ganz erfassen kann ich das nicht.
Ich wende mich um und sehe – ein Leben voller Leere,
geplatzte Seifenblasen und wenig das geblieben wäre.
Wir waren Gefangene in einem inszenierten Spiel
bei dem die größte Sorge war, dass niemand aus der Rolle fiel.
Wir stampften an den Rändern unserer Gefängnisse auf und ab
bis das Ganze nicht einmal mehr diesen Sinn ergab.
Und doch – ich bin froh,
dass Du mich mir zurückgegeben hast,
auch wenn sich die Freiheit noch unvertraut anfühlen mag.
Denn endlich habe ich den Menschen gefunden,
der mich ganz kennenlernen will.
Der mich nicht gefangen hält in einem verzweifelten Spiel.
Ich sehe jetzt – es gibt einen Menschen auf diesem Planeten,
der mir tatsächlich diese Freundschaft schenkt und diesem
treu sein, damit ist nichts verdrängt.

Diesem Menschen will ich treu sein – im Guten, wie im Schlechten
und auf keinen Atemzug mit ihm verzichten,
denn ohne ihn kann und konnte ich in meinem Leben nie etwas verrichten.
Mal setzt sich diese Person auf einen Thron,
mal stolpert sie irritiert, mal stapft sie mutig,
mal heult sie vor Wut, mal zerrt sie mich in Abenteuer.
Von ihr allein wünsch ich mir nun
manchmal gemeinsam auszuruhn.
Mich selbst nicht mehr verlassen,
das möchte ich gerne schaffen.
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