Medeas Klage vor den Göttern – Warnung an Liebende

Oh Götter, hört mich, auf irdische Gerechtigkeit kann ich nicht hoffen – allein in der Fremde habe ich keine Fürsprecher, meine Familie ist mir entfremdet oder tot. Welch’ schändlichen Verrat durch Iason habe ich erfahren. Wie nutzte er meine Leichtgläubigkeit, doch “Liebe” war nur ein Wort für ihn, benutzt, um sich meiner zu versichern. Er hat mich ausgebeutet, auf gleiche Weise wie seine eigenen Kinder und als er sich mehr Nutzen an anderer Stelle versprach, setzte er sie auf den Scheiterhaufen und beschuldigte mich der Tat. Ich klage ihn an – der Gewaltätigkeit, der Selbstherrlichkeit, der Herrschsucht, der Willkür, des Meineids, der Untreue, der Lüge und des Verrats. Er handelte ohne Gewissen, geleitet von dem Willen, die Welt sich untertan zu machen – einzig zu seinem eigenen Vorteil. Gegen mich legte er falsches Zeugnis vor der Welt ab und hängte mir den Kindesmord an. Doch obwohl ich vereinsamt war in der Fremde und selbst meine Kinder mich verleugneten, da ich machtlos und ihr Vater so machtvoll war, wie konnte man glauben, ich hätte sie gemordet, selbst als ich sah, dass es nun um ihre Zukunft schlecht bestellt war?

Seit Jahrhunderten bin ich falsch der Tat verdächtigt und gelte als Mörderin. Doch habe ich nie Unrecht mit Unrecht vergolten. Strafe für solchen Frevel ist allein Sache der Götter. Ich aber bin entehrt vor der Welt, weil ich an Liebe glaubte. Liebe ist nur ein honigsanftes Instrument zur Unterwerfung und Verführung der Leichtgläubigen. Wer den Schwüren der Liebe glaubt, der wird getäuscht. Liebe schwört nicht, Liebe ist treu. Häuser werden nur vollendet, von denen, die klug genug sind, dem Verrat vorzubeugen. Meerschaum und Honigtau sind kein Fundament. Liebende sorgt dafür, dass ihr nicht auf Vertrauen gründet, sondern alles tragen könnt, wenn es von Euch zu tragen ist. Gebt niemandem die Macht, Euch aus der Menschheit auszuschliessen, sonst werdet ihr bestraft durch die Götter, weil Ihr das Unrecht damit möglich macht und den Gewissenlosen die Macht zum Unrecht ermöglicht.

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