Bildergeschichten – Herberge

Dieses Bild entstand vor etwa einem Vierteljahrhundert – ihr seht eine schwangere Frischvermählte und einen Trauzeugen, zu leicht gekleidet und frierend irgendwo auf einer Insel in der Fremde gestrandet am ersten Frühlingstag des Jahres, der zwar strahlend schön, aber auch frostig kalt ist.
Die Hochzeitsgesellschaft, bestehend aus dem frischgetrauten Paar und ihren zwei Trauzeugen, befindet sich am Hafen einer Ferieninsel auf der im Sommer viel los ist, doch in dieser Jahreszeit kaum ein Mensch auf den Strassen unterwegs. Auf der Insel schliessen die geöffneten Restaurants über mittag oder haben gleich ganz zu. Taxis gibt es nicht. Die Fähre zurück auf’s Festland hat ohne diese Passagiere abgelegt und die nächste wird erst Stunden später erwartet. Die Ankömmlinge sind längst gen zuhause ins Inselinnere verschwunden. Die frischgebackene Ehefrau ist festlich, aber zu dünn für einen längeren Aufenthalt im Freien gekleidet, außerdem etwas übermüdet und hungrig.
Ein einziges Auto nähert sich. Mutig entschliesst sich die Frau zu fragen, ob es in der Nähe eine Möglichkeit gibt, im Warmen auf die Fähre zu warten. Die Beifahrerin erklärt, dass zu dieser Jahreszeit nichts zu finden sei und lädt die Gestrandeten zu sich nach Hause ein.
Alle quetschen sich gemeinsam in das Auto ihres Bruders. Nach zehn minütiger Fahrt erreichen sie das kleine Haus in dem die Frau eine Dachwohnung mit einem einzigen Zimmer hat und in der sie allein mit ihren zwei kleinen Kindern wohnt.
Sie entzündet viele Kerzen und kocht Tee. Weil sie Mitgefühl mit der Schwangeren hat, bietet sie ihr an, sich in ihrem Bett auszuruhen. Dankbar kriecht die ausgekühlte junge Frau unter die warme Decke und schläft nach einer Weile ein.
Die Geschichte ist noch nicht zuende, aber mehr wird ein andermal verraten.
Seither bedeutet Kerzenlicht die wärmste Erinnerung an Freundlichkeit im Leben der damals Schwangeren.

24.12.2017

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Zum dritten Advent – Gebrauchslyrik von Dr. Kästner

Zum dritten Advent – Dr. Kästners Gebrauchslyrik (damit habe ich es ja gerade so)
Morgen, Kinder
 
Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch Eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.
 
Doch ihr dürft nicht traurig werden,
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden,
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.
 
Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.
 
Tannengrün mit Osrambirnen –
lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heilge Nacht –
Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!
 
Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit . . .
Ach, du liebe Weihnachtszeit!
 
EK, 1928

Philo-sophie

Um Dummheit geht es doch nie
in der Philo-sophie,
obwohl – schon bei Platon steht,
was Sokrates als Diotimas Gedanken vorträgt
und dieses sei, dass alles (liebevolle) Streben
sehr vom Mangel würde leben.
Von dieser Überlegung spricht Platon
im Symposion.
So ist wohl wahr, dass die, die nicht zufrieden,
viel heftiger und häufiger sich verlieben.
Sie vermuten ja anderswo Überfluß
und wirklich scheint’s – das ist kein Stuß.
So ist des Strebens Hintergrund
der Mangel und
was daraus folgt
führt trotzdem meist nicht zum Erfolg.
Wenn’s auch nicht ganz folgenlos
– ich mein ja bloß.

Freundliche Bitte zur Übergabe meiner 1.028.571.428 Euro

Sehr geehrte Verantwortliche für das Bauvorhaben BER.
Die Fertigstellung ist nicht mehr nötig. Bitte übergeben Sie allen Berlinern ihren Anteil von 1.028.571.428 Euro (aus der Deckungslücke) für die kommenden drei Jahre, in Worten – Einemiliardeachtundzwanzigmillionenfünfhunderteinundsiebzigtausendvierhundertachtundzwanzig, direkt. Dann können wir damit die Wirtschaft ankurbeln, unsere Häuser kaufen und optimistisch in eine gemeinsame Zukunft sehen. Fliegen würden wir von den Segelflughäfen Brandenburgs aus. Jeder Berliner hat dann die Möglichkeit über die guten Zwecke des Geldes selbst zu bestimmen und es ist besser angelegt, als es in der Baugrube zu versenken oder “Weltfirmen”, die hier Industriearbeitsplätze vernichten, zu füttern.

Bitte vereinbaren Sie zeitnah einen Termin zur Übergabe unserer Vermögen.

Mit bestem Gruß,
die Berliner Bevölkerung

14.12.2017 | Die Aufklärung

Die Aufklärung hat es sehr schwer
schon seit der Antike und noch mehr.
Schon Sokrates hat formuliert, dass zuerst fragt Philosophie
nach der Erkenntnistheorie.
So sprach er aus: “Ich weiß, dass ich nicht weiss.”
Was dann – als Programm –
seiner Lehre zugrunde lag.
Hier knüpfte auch Aristoteles an,
damit Wissenschaft gelingen kann.
Erst René Descartes hat dann der Allgemeinheit aufgefaltet,
was der Mann schon wußte und was nicht veraltet,
dass das Subjekt zur Welt sich immer positivistisch verhält,
und dies zu Recht, hat er uns allen verständlich erhellt.
Wer diese Intension verkennt
hat die Pointe drin verpennt.
Diese Erkenntnis gibt dem Subjekt
den Antrieb erst sich zu erklären,
was es wissen kann und dann
mit anderen Subjekten gleicher Art
zu erweitern, was ihm als Objekt zu gelten hat.
Immanuel Kant machte dann explizit,
was zum Verkehr zwischen Subjekten  – selbstbestimmt – zu sagen verblieb.

Die absolute Wahrheit gibt es nicht?
Wohl wahr, doch zur Erkenntnis braucht
der Mensch sie ja auch nicht.

13.12.2017 | Das Positive

Zur notwendigen Predictio
macht den Menschen Ritual, Zeremonie und Stereotypie
sehr froh.
Genau auch darum fällt seine Wahl,
auf Zeichen und auf Kopf und Zahl.
Es gibt ihm Sicherheit und Raum für Fantasie.
Daraus hofft der Mensch auf Zukunft hin,
woraus gerät die Gegenwart sehr leicht aus seinem Sinn.
Allein auf Zukünftiges hoffen, glaube mir,
führt zu besoffnem Kopf im Jetzt-und-hier.
Drum hoff nicht allein auf Predictio,
mach’ hier Dich Mensch jetzt auch schon froh.

Und siehst Du in ein Menschengesicht,
erkenn’ darin sein eigenes Licht.
Doch ebenso versprich mir bitte auch ganz fest,
dass Du Dein eigenes nicht dabei verläßt.